Mittwoch, März 06, 2019

Auf dem Weg nach Pitcairn (7): Der Kranich

Morgen geht's los nach Pitcairn. Unser erster Flug führt uns von Basel nach Frankfurt. Zu meiner ersten Begegnung mit diesem Flughafen erschien vor vielen Jahren diese Kolumne:
 
 
Gunhilde heisst Kranich und sieht auch so aus. Wofür sie natürlich nichts kann. Frau Kranich, mit dem durchaus passenden Vornamen Gunhilde, herrscht über einen Schalter im Transitraum des Flughafens von Frankfurt und nimmt diese Aufgabe wörtlich: Sie herrscht.
Eines unschönen Tages nun herrschte der oder die Kranich gleich über zwei Schalter: Economy und Business. Natürlich sass Kranich Business. Da weit und breit niemand zu sehen war, hatte sie sich ihren Horst gemütlich eingerichtet. Links die angebissenen Müsliriegel, rechts die Accessoires für die kleine Schönheit zwischendurch und vor ihr die abgeblätterten Boulevard-Postillen.

Etwas unschlüssig stand ich vor Gunhildes Horst: Ausser ihr und mir war niemand zu sehen. Da ich Economy gebucht hatte, steuerte ich folgerichtig auf den entsprechenden Schalter links zu.

Als ich bemerkte, dass der Kranich im rechten Business-Schalter-Horst sass, wechselte ich gekonnt die Spur. Dieser Verstoss gegen die Flughafenverkehrsvorschriften hatte unüberhörbare Folgen. Der eben noch untätige und scheinbar schwerfällige Kranich plusterte sich in Sekundenschnelle auf, spreizte seine Flügel und stiess einen spitzen Schrei aus: “Könnsenichlesen-hierisbisness!”.
Bevor mich der Kranich mit seinen rot lackierten Klauen ernsthaft verletzen konnte, wechselte ich wieder die Spur und stellte mich ordnungsgemäss vor den leeren Economy-Schalter. Worauf sich Gunhilde Kranich umgehend beruhigte und sich wieder ihrer verblichenen Schönheit widmete. Da ich sowieso nichts anderes vorhatte an diesem Abend, gab ich ihr einige Ratschläge, empfahl ihr eine neue Gesichtspflegelinie und schenkte ihr meinen neuen Nagelclip. So entwickelte sich über die Zeit eine schon beinahe freundschaftliche Beziehung und schon wenige Stunden später -  und ohne, dass der Business-Kranich zwischenzeitlich belästigt worden wäre - entschloss er sich, sich meiner zu erbarmen. Unendlich langsam holte er ein Schild aus seiner Handtasche, stellte es vor sich hin und krächzte “Economy!”



 

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